2010
01.12

Egoexpress und der Trip nach Schorndorf
Mai 1999 · DJ: Egoexpress, DJ Koze zum Schluß

Egoexpress RavestoryWir sind kaum 50 Kilometer gefahren, da schlabbert es so komisch unten rum, der Wagen zieht nach rechts. Bianca am Steuer: „Ich fahre mal rechts ran, wir haben einen Platten.“ – „Nein, das glaube ich nicht. Müsste der Wagen mit einem Platten nicht viel heftiger reagieren?“
Bianca: „Nein, der ist platt.“ Sie fährt langsam. Ich kurbele die Scheibe herunter und versuche, mich herauslehnend, einen Blick auf das rechte Vorderrad zu werfen. Klappt aber nicht. Sie fährt also rechts ran, der Reifen ist hin. Wir liegen relativ schlecht in der Zeit, also schnell Warndreieck aufstellen, Equipment aus dem Kofferraum laden, Reserverad raus holen und aufziehen. Dann das ganze Equipment wieder einpacken und weiter. Nur wenige Kilometer später merken wir entsetzt, dass das Reserverad auch platt ist. Also den Pannendienst rufen: „Hallo“ und so weiter, Standort durchgeben, „Kollege kommt“.

Der Pannenhelfer versucht es prompt mit neuer Luft. Wir sind guten Mutes und beeindruckt, dass er Druckluft dabei hat. Mal sehen, ob es vielleicht einfach so klappt. Er fährt vor, wir hinterher, nach 200 Metern ist die Felge wieder am Asphalt. Das ganze wird drei mal wiederholt, dann ist sein Vorrat an Druckluft verbraucht. Also sind wir gezwungen, mit plattem Reifen, im Kriechtempo, über Seitenstreifen und Schleichwege, die sonst nur der Autobahnpolizei vorbehalten sind, zur Vertragswerkstatt zu folgen. Es dauert ewig, bis wir ankommen. Den Wagen stellen wir auf den Hof. Innen ein Tresen: „Auftrags-Annahme“.
Egoexpress Ravestory 2Guten Tag und so weiter, tja, den Reifen haben wir nicht am Lager, können wir aber vielleicht noch besorgen, kann allerdings etwas dauern, wir telefonieren mal etwas herum, nehmen sie doch so lange Platz. Es ist 17.00 Uhr. Geschätzte verbleibende Fahrtzeit bis Schorndorf: 4 Stunden. Geschätzte Ankunft: 21.00 Uhr, vorausgesetzt, die Stau-Situation bleibt in einem moderaten Rahmen. Es ist zwar reichlich spät, sollte aber für den Soundcheck gerade noch reichen. Wir nehmen platz. Wir warten. Wir tippeln nervös mit den Schuhsohlen auf dem Linoleumboden herum. Geredet wird wenig. Mense steht auf, geht zum Tresen: ob man uns vergessen habe. Nein, es würde nur leider etwas dauern, den benötigten Reifen zu organisieren. Wir sollten doch froh sein, dass sie sich überhaupt so bemühen, am Samstag Abend, kurz vor Feierabend, das sei ja auch nicht selbstverständlich. Ja, das ist wirklich nett, Danke.

Es ist 18.00 Uhr. Geschätzte Ankunftszeit ist 22.00 Uhr. Wann macht der Laden die Türen auf? Wir sehen im Vertrag nach: Doors open: 22.00 Uhr. OK, das mit dem Soundcheck wird knapp, könnte aber eventuell gerade noch reichen, vorausgesetzt, die besorgen demnächst einen Reifen, und die Stau-Situation …

Es ist 19.00 Uhr. Aus der Hintertür kommt ein Mechaniker gekrochen, ölbefleckt und breitgesichtig. Er habe einen Reifen organisieren können, der zwar von einem anderen Hersteller sei, aber auf jeden Fall passen würde … eigentlich müsse man ja von dieser Sorte dann jedenfalls vorne zwei gleiche Reifen aufziehen … aber ob das OK sei, jetzt nur diesen einen Reifen vorne rechts aufzuziehen, ansonsten sähe es schlecht aus, übers Wochenende zwei gleiche Reifen für den Wagen zu bekommen … Ja, Mann, klar ist das OK, was denkst du denn, du Hirni, mach endlich den scheiss Reifen drauf und hör auf, mir das Ohr abzukauen, schiesst es mir durch den Kopf. Ich sage: „Oh toll! Ja, bitte machen Sie es so! Danke!“

Egoexpress Ravestory 3Bis der Reifen drauf ist und die reichlich happige Rechnung bezahlt ist, wäre es 20.00 Uhr. Geschätzte Ankunftszeit: Mitternacht. Soundcheck ade. Die Nerven liegen blank, aber immerhin sind wir wieder auf der Autobahn. Jetzt heißt es, jedenfalls noch eine halbe Stunde vor Konzertbeginn eintreffen, damit wir aufbauen und über den Kopfhörer einen Linecheck machen können. Unterwegs ruft der Veranstalter an. Er zeigt sich verständnisvoll.

Die Stau-Situation: moderat. Um Mitternacht kommen wir nach einigem Suchen an. Ich frage: „Meinst du, dass wir hier richtig sind, Mense?“ – „Ja, klar. Ich kenn‘ den Laden. Ich war hier schon mal“. Na gut. Der Parkplatz hinterm Club sieht irgendwie leer aus. Mense geht zur Tür, an der ein kleiner Zettel mit einer handschriftlichen Notiz klebt: „Hallo Kathrin, bin schon nach Hause gegangen, hier läuft heute Abend nur Techno-Scheiss.“ Wir halten das für kein gutes Omen und gehen mit der ersten Ladung Equipment rein.

Egoexpress Ravestory 4Der Veranstalter erwartet uns mit teurem Whisky. DJ Koze ist schon lange da und legt auch schon auf; Der ist gemeinsam mit Thorsten mit dem Zug gefahren. Wir bauen auf und spielen uns vor den 15 Zahlenden die Seele aus dem Leib. Und das einen Tag nach dem Mayday!

Novum unserer Reise nach Schorndorf: Mense spielt mit nacktem Oberkörper. Am Ende besaufen wir uns alle gemeinsam mit dem Veranstalter Backstage mit diesem extrem teurem Whisky. Das gute daran: Man hat am nächsten Tag nicht einen so heftigen Kater.

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