2018
03.06

Verschiedene Schreibweisen eines Mannes charaktierisieren meist auch ziemlich gut seine Vielfalt – Terrible, Terri Belle oder auch Terry Belle.
„YOU ARE TERRIBLE“ grölten erhitzte Raver 1991 auf der Tanzfläche im Berliner Planet, wo Jörg Henning mit seinen Mentoren Dr. Motte und Jonzon spielte. Dieser Name blieb hängen. Am 10. März ist er nun zum zweiten Mal zu Gast in Jena. Wir stellten ihm vorab ein paar Fragen.

terribleTerrible, was war denn bewußt die erste Musik, für die du dich im jungen Alter interessiert hast und warum?

Mal abgesehen davon, dass bei uns zuhause eigentlich ununterbrochen klassische Musik lief, begann meine bewusste Auseinandersetzung mit dem Thema an dem Tag, als ich mit einem anderen Jungen, der schon ein wenig älter war, aus dem Wandergitarrenkurs rausgeschmissen wurde. Wir waren überglücklich, denn der Lehrer in dem Kurs wollte mit uns „Im Frühtau zu Berge“ nach Noten spielen, was für ein Idiot. Draußen vor diesem Klassenzimmer brachte mir dieser andere Junge, dessen Namen ich leider vergessen habe, bei, wie man die Grundakkorde von „Hey Joe“ von Jimi Hendrix spielt. Unvergesslich.

Stimmt es, das du auch mal in einer Band gespielt hast?

Ja, stimmt. In einigen Bands, ich fing mit Gitarre an, aber Gitarristen gab es wie Sand am Meer, also lernte ich ein wenig Bass und schon durfte ich in Bands mitspielen. In meiner Jugend gab es Bands wie Sand am Meer und jeder der ein Instrument halten konnte war in einer Band.

Berlin & Techno. Wann und wodurch bist du mit „beiden“ in Berührung gekommen?

Mit Berlin bin ich schon mein ganzes Leben lang verbunden, meine Eltern sind beide in Berlin geboren, meine Großeltern wohnten noch in Berlin als ich ein Kind war. Berlin hat mich immer begleitet, aber aufgewachsen bin ich im Rheinland. Meine Mutter hörte bei der Hausarbeit oft Kraftwerk oder Tangerine Dream, vielleicht mein erster Kontakt mit Techno. In den späten 70ern entdeckte ich John Peel’s Radioshow auf BFBS für mich. Peel spielte in einer Sendung Punk, New Wave, Disco, Rap, Industrial, EBM, Reggae. Alles was er spielte war neu und außergewöhnlich. Mir war es völlig egal, ob das mit der Hand oder von Maschinen gespielte Musik war. Es gab schon vor Berlin immer mal Momente in Clubs wie z.B. dem Rave oder der Baghwandisko in Köln ,wo ich zu den frühen Acidhouseplatten auf der Tanzfläche im Nebel stand und die Zeit und der Raum sich auflösten. Konkret wurde es aber erst in Berlin ab Sommer 1989. Über Monika Dietls Radiosendung bin ich im Ufo gelandet. Richtig reingezogen hat es mich aber bei einer Afterhour Party im 90° bei Dr. Motte, bei der ich stundenlang bis zur Erschöpfung durchtanzte.

terribleDeine Residence 1991 im Planet, wie hast du den Club für dich damals wahrgenommen und was bedeutete er für dich und deine Entwicklung?

„People of all nations, dancing together“ – das „Planet“ war kein Club, das war ein Raumschiff. Dort auflegen zu dürfen war wie ein Ritterschlag. Im Gegensatz zum Tresor, wo Techno harte Arbeit bedeutete, wirkte das Planet auf mich viel organischer. Das mag aber auch einfach daran gelegen haben, dass wir alle freitags im Tresor meistens schon alles was neu war, abgearbeitet hatten. Der grösste Unterschied der ersten Planet Location war eigentlich, dass wir es jede Woche wieder von neuem aufbauten. Außer ein paar Tischen, die zur Bar wurden, war das ja nur eine leere Fabrikhalle die dann von Samstag mittag an in eine Partylocation verwandelt wurde. Der Tresor war ja fest installiert, das Planet war eine Teamarbeit, bei der jede einzelne Hand gebraucht wurde. Das schweißte zusammen. Ich bin bis heute mit vielen der Leute damals befreundet. Für mich persönlich bedeutete diese Residence, dass ich auch in anderen Städten spielen und regelmäßig im Radio auflegen durfte. Trotzdem blieb oder bleibt das Planet in meiner Erinnerung die beste Warehouseparty, die ich je erleben durfte – intensiv, extatisch, eine gelebte Vision!

terribleWie würdest du den Planet für Leute beschreiben, die jene Zeit nicht miterlebt haben?

Für mich war damals völlig klar, dass die Zukunft nicht auf dem Planeten Erde sondern im Weltraum lag. Wir alle, die dort zusammen tanzten, waren auserwählt und würden in einer anderen Dimension fern von den miesen, menschengemachten Regeln und all ihrem kranken Bullshit in Liebe und Harmonie durch die endlosen Weiten des Weltalls schweben. Ebenso klar war, dass wir mit diesem großartigen Sound die Welt verändern würden und spätestens im Jahre 2010 Weltfrieden herrschen würde. Unser Raumschiff wurde von einem Mischpult aus gesteuert (für die Gearnerds: wir benutzten gerne ein Vestax) und man hatte mich neben Motte und Jonzon und Kid Paul und Clé und all den anderen tollen DJs dazu auserkoren, dieses großartige Vehikel auf unseren wöchentlichen Raumpatrouillen fliegen zu dürfen.

Gab es in deiner ganzen DJ Laufbahn einen Abend, den du nie vergessen wirst?

Nein, natürlich nicht. Alle Abende seit 1991 sind immer genau gleich gut, nämlich großartig und einzigartig.

Du hattest 1995 auch einen Track mit Jammin Unit für die Mayday Compilation produziert. War es deine erste Produktion und wie kam es dazu?

Nein, meine erste Produktion war eine Produktion mit Jay Ray auf Planet Records und hieß „Gravity Control Department“. Jammin Unit ist aber sicherlich eine meiner größten Inspirationsquellen. Zusammen mit Adel Dior und Jammin Unit haben wir ja auch als UMO 3 Alben produziert. Cem ist einfach ein genialer Musiker und Sounddude. Der hat einen ganzen eigenen Weg an Musik ranzugehen und zudem ist er noch ein unglaublich witziger und charmanter Mensch, den ich sehr mag.

terrible

1. Reihe von rechts nach links: Electric Indigo, Rok, Terrible, Kati Schwind.
2. Reihe von rechts nach links: Gast, Däne Kenn N.N., DJ Hell, Gast, Jeff Mills…
Bild: (c) zeitmaschine.org


Auf dem Foto sieht man dich ganz vorne mit vorgestreckter Faust und die Crème de la Crème der damaligen Berlin DJ Szene. Wo und aus welchen Anlaß wurde das rare Foto aufgenommen und warum diese Faust :-) ?

Das war im ELEKTRO in der Mauerstraße – nicht zu verwechseln, das spätere Label hieß dann Elektro Department. An den Abend kann ich mich nicht wirklich erinnern. Das war damals ein wenig so etwas wie der ultimative DJ-Stammtisch. Ein winziger Laden in dem wöchentlich Sonntag abends noch einmal ein paar Platten gespielt wurden. Die Faust war sicherlich einfach nur eine Reaktion auf einen harten Schnaps oder auf einen Spruch von Rok, der ja nicht gerade zimperlich in der Wahl seiner Worte war, man musste den einfach lieben. Hinter der Theke stand meistens das Team vom ELEKTRO selbst: Daniel Pflumm, Klaus Kotai und Mo Loscheider.

Yellowlounge. Man sagt, dort hast du deine alte Liebe „wiederentdeckt“. Was ist genau passiert?

Die Yellowlounge war aber eine Art Friedenstifter für mein Verhältnis zu meinen Eltern. Die waren gegenüber dem DJing immer sehr skeptisch, für die erste Yellowlounge habe ich mir bei meinem Vater Vinyl geliehen, plötzlich konnte er etwas mit DJing anfangen und hat mir das Gefühl gegeben, dass er das was ich tue, versteht und gut findet. Mal abgesehen davon, hat er mir eine Menge Komponisten nähergebracht, die ich ohne ihn sicherlich nie entdeckt hätte.

Du produzierst auch eigene Ambient & Electronica Tracks. Deine Liebe zu Techno und House ist weiterhin „ungebremst“?

Meine Liebe zu Musik ist ungebremst und nachhaltig aber auch sehr selektiv. Ich versuche mindestens einmal die Woche in einen Plattenladen zu gehen, ganz unabhängig davon, ob ich jetzt auflege oder nur für mich ein paar Platten kaufe. Hardwax ist für mich auch nach über 25 Jahren immer noch so etwas wie Zuhause, die wissen dort was ich mag und legen mir immer wieder neue Sachen ans Herz, die mich berühren. „Techno und House“, das ist mir zu unspezifisch, eine Generalisierung.

Welche aktuellen Künstler faszinieren dich heutzutage?

Alle und gar keiner. Ganz ehrlich fällt es mir schwer, da jetzt ein paar Namen in die Runde zu werfen, ohne das ich viele andere vergessen würde die mich auch faszinieren. Ich finde auch die Auswahl an guten Sachen so immens, dass ich mir nicht einmal entfernt ein Urteil bilden kann, da einen Überblick zu haben. Ich kaufe was ich fühle und das spiele ich dann. Seid mir nicht böse, wenn ich auf die Frage so ausweichend reagiere.

Im Buch „Klang der Familie“ konnte man nachlesen, das du dich für Rennsport interessierst?

Das ist schon ein paar Jahr her und mein Enthusiasmus dafür hat sich ein klein wenig gelegt. Ein guter Freund von mir fährt Autorennen und eine Weile lang habe ich sein Team am Nürburgring als Teammanager betreut und bin auch selber dort gerne gefahren. Abseits der Rennstrecke bin ich allerdings Fahrradfahrer.

terribleWir freuen uns besonders auf dein Set zusammen mit Clé im Kassablanca, was kann der Gast an diesen Abend von Euch erwarten?

Weiss nicht genau was der Clé sich überlegt hat, aber in meine Kiste packe ich uralte Platten aus Detroit, Chicago, Brooklyn, Sheffield, London, Gent, Amsterdam, Köln, München, Frankfurt und Berlin. Bis Samstag!

Danke für deine Zeit & see ya in the Dancefloor*

Das Interview führte Mister T-76.

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10.3.2018, 23 Uhr
RAVE STRIKES BACK
mit Clé, Terrible, DJ Foch
im Kassablanca Jena

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3 comments so far

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  1. geschichte, die das leben schrub. mehr davon!
    ❤️𝕋𝔼𝕂𝕂

  2. Danke tupperbox

  3. Hi Teresa, danke für das Feedback!

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